„Was soll das heißen: Es ist kein Holz da?“ Überrascht schaue ich Mathias an, der gerade aus dem Brennholz-Schuppen auf den moosigen Waldboden tritt. Er zuckt mit den Schultern und zeigt hinter sich. „Das Lager ist leer“, informiert er mich dann. „Da sind nur noch ein paar letzte Scheite drin“. Ich lasse mich frustriert auf der Bank neben dem Lavu nieder. Wir sind ungefähr eine Stunde durch den finnischen Wald zu diesem Picknickplatz gestapft, um den Tag ganz landestypisch zu verbringen: Wandern, Sauna, Barbecue – der Finnen liebste Freizeitbeschäftigungen. Dass es dafür nicht nur Schutzhütten mit Feuerstelle, sondern, wie hier, auch eine Jedermann-Sauna im Wald gibt, ist allerdings nicht der Normalfall. Als schmalbudgetierte Vollzeitreisende im finnischen Herbst können wir die Gelegenheit einer Gratis-Sauna (und Wäsche) nicht liegen lassen und haben für diese Wanderung einen beträchtlichen Umweg in Kauf genommen. Umso enttäuschender, dass wir scheinbar zu einem ungünstigen Zeitpunkt gekommen sind und Wanderer vor uns den Holzvorrat, den die Gemeinden an solchen Plätzen zur Verfügung stellen, aufgebraucht haben. Wie zum Hohn glimmen in der Feuerstelle noch ein paar letzte Kohlen träge vor sich hin.
Frustriert schnallen wir die Rucksäcke ab und umrunden langsam Schutzhütte, Plumpsklo und Sauna, um vielleicht doch noch brennbares Material zu finden – schließlich befinden wir uns im Wald, wie ich lautstark kund tue, „da muss man doch ein Feuer machen können!“. Doch unsere Ausbeute ist ernüchternd und ich muss mich mit dem Gedanken anfreunden, dass aus dem typisch finnischen Nachmittag heute nichts wird. Wir starren eine Weile resigniert auf die wenigen trockenen Zweige, die wir zusammentragen konnten, dann spricht Mathias das Offensichtliche aus: „Sauna oder Barbecue – für beides reicht’s auf keinen Fall!“ „Na dann Barbecue“, sage ich, hungrig vom Wandern und mit dem Gedanken an die finnischen Grillwürste in meinem Rucksack. Gleichzeitig fügt Mathias hinzu: „Ich heiz dann mal die Sauna an.“
In Finnland gibt es Schätzungen zufolge zwischen zwei und drei Millionen Saunen. Das bedeutet, dass theoretisch alle Finnen gleichzeitig in die Sauna gehen könnten und sogar noch Platz für ein paar Touristen wäre. Die Art und Weise, wie man in Finnland in die Sauna geht, unterscheidet sich jedoch stark von der Saunakultur in Deutschland. Der Grundmechanismus ist zwar derselbe – es ist ziemlich heiß und man kühlt sich hinterher ordentlich ab -, aber in Finnland ist die Sauna eine zutiefst soziale Angelegenheit. Hier werden Probleme gewälzt, ernsthafte Gespräche geführt, getratscht, gelacht und angeblich sogar politische Entscheidungen getroffen. Die Sauna ist ein Ort, an dem Familien zusammenkommen und Freundschaften gepflegt werden. Ich habe in öffentlichen Saunen (die übrigens streng nach Geschlechtern getrennt sind) auch schon sehr junge und sehr alte Menschen getroffen. Saunieren ist hier weit entfernt vom kinder- und störungsfreien Schweige-Wellness, das in deutschen SPAs und Saunatempeln praktiziert wird. Die Finnen tauen in der Sauna wortwörtlich auf, werden hier erst richtig gesprächig und zischen nicht selten rülpsend ein Bierchen, während sie beständig Wasser auf die heißen Steine kippen.
Man hält in Finnland auch nichts von „Ruhepausen“ zwischen den einzelnen Saunagängen, wie sie bei uns häufig angemahnt werden. Raus aus der Sauna, rein in den kalten See, und während das Herz-Kreislauf-System noch den Kälteschock überwindet, sitzt der Finne schon wieder auf dem Holzbänkchen und öffnet sich das nächste Bier.
Davon sind Mathias und ich in diesem Moment aber noch weit entfernt. Ein handfester Interessenskonflikt bahnt sich an: Sauna oder Grillen? Ich argumentiere, getrieben von meinem grummelnden Magen, dass Sauberkeit sowieso überbewertet wird, und Mathias weist darauf hin, dass Gratis-Saunen in der Regel seltener vorbeikommen als Supermärkte und wir schließlich nur deswegen hierher gewandert sind.
Am Schluss ist die Lösung so einfach wie naheliegend: Während Mathias den Saunaofen anheizt, suche ich zwei lange Stecken im Wald und spitze die Enden an. Nachdem wir beide ausgiebig geschwitzt und gebadet haben, ist im Saunaofen gerade noch genug Glut, um zwei Würstchen darüber zu grillen.